HOW TO Kommunikation mit dem Tierarzt

Pferd beim Tierarzt

 

Auch ohne Medizinstudium kann man sich eine gewisse medizinische Denkweise aneignen mit der es möglich ist, mit Ärzten oder Tierärztinnen konstruktive Gespräche auf Augenhöhe zu führen.

Ich habe einige Grundsätze aufgelistet, die mir in meiner Ausbildung zur Tierheilpraktikerin vermittelt wurden und auf meiner Erfahrung basieren, sowohl aus der Zusammenarbeit mit Medizinern als auch der Konsultation von Ärzten und Tierärzten für mich, meine Angehörigen oder meine Haustiere. Für mich hat sich herausgestellt: wenn ich mich an diese Grundsätze halte, dann kann ich keine dummen Fragen stellen und brauche meine Bedenken niemals zurückzuhalten. Es ist nicht notwendig, den Halbgöttern in weiß (oder in Tierarztpraxisfarbe ;-)) blind zu vertrauen oder sich hilflos zu fühlen, angesichts unterschiedlicher Aussagen verschiedener Experten. Schon gar nicht muss ich meinen eigenen Verstand ausschalten. Ein medizinisch geschulter Mensch, der weiß, was er tut, ist immer in der Lage das zu erklären, egal wie ungebildet das Gegenüber ist. Es ist immer möglich, sich einer Problemstellung systematisch zu nähern. Mich beruhigt das. Vielleicht hilft es Euch auch ein bisschen. Hier also meine Liste:

 

 

Primum non nocere. Dieser Satz stammt aus dem ursprünglichen Hippokratischen Eid aus der griechischen Antike und bedeutet: „zuallererst nicht schaden“. Eine Behandlung oder Diagnostik darf dem Patienten niemals zusätzlichen Schaden zufügen. Zumindest muss sie mehr helfen als schaden. Der Satz geht weiter: Secundum cavere, tertium sanare. Zweitens: vorsichtig sein. Drittens: heilen.

 

Bei der Diagnostik mit dem Ausschlussverfahren arbeiten. Niemals leichtfertig etwas ausschließen, nur weil es unwahrscheinlich ist oder weil die Symptomatik einem anderen Fall ähnelt, den man schonmal hatte. Zuerst ausschließen, das

a) gefährlich werden könnte, wenn man es nicht sofort richtig behandelt oder bei dem die geplante Behandlung schädlich wäre

b) leicht auszuschließen ist (mit einfachen unschädlichen Mitteln, ohne zu viel Zeitverlust)

Ist das Ausschließen möglicher Ursachen aufwändiger (z.B. Röntgen, MRT) gilt es abzuwägen nach Wahrscheinlichkeit und Folgenschwere bei Nichterkennen, ggf kann auch vorsorglich auf etwas behandelt werden.

Also durchaus das Unwahrscheinliche immer wieder in Betracht ziehen. Irgendwann kommt der Fall, in dem es zutrifft. Nach 100 Hufgeschwüren ist es bei der 101. Lahmheit dann zum Beispiel mal eine Knieverletzung. Und ja, solche Fehler passieren auch Tierärzten. Sogar eher der umgekehrte Fall, nämlich, dass das naheliegendste nicht erkannt wird, aus Sorge etwas ungewöhnlicheres zu übersehen. Deshalb hier die Ergänzung zum oberen Satz: Niemals etwas ausschließen, weil es einem zu einfach vorkommt. Während meines Praktikums in der Pferdeklinik kam es vor dass ich, frisch aus der Ausbildung kommend, bei einigen Fällen Verdachtsdiagnosen hatte und mich nicht traute, sie auszusprechen, weil ich dachte: wenn es so einfach wäre, dann hätten die erfahrenen Tierärzte das doch längst erkannt. Und später stellten sich raus: ich hatte recht. So schade, dass ich meine Vermutung nicht geäußert habe.

 

Man kann Flöhe und Läuse gleichzeitig haben. Oder auch „ Jeder hat das recht auf mehr als eine Krankheit“ Hat ein Patient verschiedene Symptome, können diese die selbe Ursache haben oder auch nur durch Zufall gleichzeitig auftreten. Lezteres führt dann zu einer untypischen Symptomatik und kann verwirrend sein.

 

Kompensation ist nicht gleich Heilung.

Kompensation verhindert manchmal Heilung.

Kompensation ermöglicht manchmal Heilung.

Manchmal ist keine Heilung mehr möglich, nur noch Kompensation.

 

Es ist ganz wichtig, sich hier über die Zielsetzung der Behandlung im Klaren zu sein. Handelt es sich um eine lebensrettende Maßnahme? Will ich das Leid des Patienten lindern, ohne dabei zu nachhaltiger Heilung beizutragen? Was ja legitim sein kann. Nur dann bleibt die Frage: Was ist notwendig, damit Heilung eintritt? Passiert das von alleine? Ist dafür die Beseitigung von Krankheitsursachen, eine Veränderung der Lebensumstände notwendig? Meiner Erfahrung nach sprechen Tierärzte und auch Humanmediziner dies oft nur unzureichend an. Verständlich, weil viele Patienten(-besitzer) das nicht hören wollen. Fragt danach! Fragt gezielt, was ihr tun könnt, um die Heilung zu unterstützen und signalisiert Eure Bereitschaft dazu!

 

 

Respektiere die Heilkräfte der Natur: Frage Dich: Was will der Körper mit dieser Symptomatik erreichen? Krankheitssymptome sind nämlich nicht das Problem, sondern der Versuch einer Lösung. Würde der Körper das in diesem Fall ohne unseren Eingriff schaffen und zwar ohne bleibende Kollateralschäden? Hilft meine Behandlung oder unterdrückt sie die Heilkräfte eher? Kann ich diesen Nachteil auffangen? Ein Beispiel wäre eine überschießende Entzündungsreaktion, mit der der Körper sich selbst schadet, wenn z.B. eine sehr starke Schwellung die Blutzufuhr behindert. Verabreicht man nun Entzündungshemmende Medikamente unterdrücken diese unter Umständen die Immunabwehr und man beugt einer Infektion mit der Gabe von Antibiotika vor.

 

Cortison in der Hand eines Laien ist wie die Rasierklinge in der Hand eines Affen.

Ein Spruch den ein  Pferdearzt an der Uni von seinem  älteren Professor eingebleut bekommen hatte. Ich brauche kein umfassendes medizinisches Wissen, um zu wissen, dass Cortisoneinsatz immer einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung bedarf und immer in der schonendsten Darreichungsform und geringstmöglichen Dosierung eingesetzt werden muss. Beispielsweise ist bei Atemnot eine Verabreichung mit dem Inhalator der Gabe von Tabletten vorzuziehen. Weil der Wirkstoff direkt da landet, wo er gebraucht wird und der restliche Organismus nicht unnötig belastet wird. Auch wenn das mehr Aufwand für den Menschen bedeutet. Jeder Arzt sollte in der Lage sein, sich für den Einsatz von Cortison plausibel zu rechtfertigen.

 

Kein leichtfertiger, inflationärer Gebrauch von Antibiotika. Es gilt, die Bildung von Resistenzen gering zu halten und zwar im Sinne der Allgemeinheit. Das selbe gilt für Wurmkuren. Andere Maßnahmen bevorzugen oder hinzuziehen wenn möglich. Insbesondere Hygiene, sowohl die der Umgebung als auch die von Wunden, kann die Notwendigkeit von Antibiotika insbesondere im Vorhinein reduzieren.

 

Denkt im Gespräch mit Eurer Tierärztin oder Eurem Tierarzt daran: All Eure Bedenken sind berechtigt. Es gibt keine dummen Fragen. Ganz ehrlich, wenn mir mein Arzt oder Tierarzt meine Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann und mir mein Bauchgefühl auch kein Vertrauen vermittelt, dann habe ich kein Problem damit, eine Zweit-, Dritt- oder auch Viertmeinung einzuholen (sofern dafür Zeit ist). Es ist Euer Tier und ihr müsst nachher mit Euren Entscheidungen leben. Weder bezahlt jemand anders Eure Tierarztrechnung noch bedankt sich jemand im Nachhinein für Euer Vertrauen, wenn Euer Tier wegen falscher oder fehlender Behandlung nicht mehr gesund wird. Niemandem anders liegt Euer Tier so sehr am Herzen wie Euch. Ein Mediziner ist in seinem Beruf bereits sehr gut, wenn er nur 50% der Patienten heilt. Eine Erfolgsquote von 100% ist bei Lebewesen gar nicht möglich, sie sind zu komplex. Und Kunstfehler passieren, auch das ist nicht zu vermeiden. Damit muss ein Mediziner leben können, das ist gerechtfertigt, denn er hilft dafür vielen anderen. Du als Patient oder Patientenbesitzer bist also der einzige, der ein Interesse daran hat, dass Du bzw. Dein Tier gerade nicht zu den paar Prozent Ausschuss gehört. Du kannst es nicht sicher verhindern. Du kannst nur Dein Bestes geben, mit Deinen Entscheidungen, welchen Experten Du Deine Gesundheit oder die Deines Tieres anvertraust, gut leben zu können.

 

 

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass Menschen allgemein besser arbeiten, also ihr Bestes geben können, wenn sie merken, dass man ihnen vertraut. Ich möchte mit diesem Artikel deshalb nicht übers Ziel hinausschießen und Argwohn säen. Jeder, der ein Medizinstudium abgeschlossen hat, verdient allein dafür schonmal meinen Respekt. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass er sich von uns Laien immer wieder hinterfragen lässt, das ist für mich absolut kein Widerspruch. Es hilft uns Gestalter unseres eigenen Schicksals und Mitgestalter des Schicksals unseres Tieres zu bleiben.  

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